Ich bin so frei!
Freie Journalistin und Autorin - klingt das nicht verlockend?
Der Begriff “Schriftsteller” erst!
Verheißt er nicht süßes Leben bei freier Zeiteinteilung, haufenweise Geld und rauschende Partynächte?
Nur dann arbeiten, wenn einen die Muse küsst - das ist doch traumhaft!
Kein Chef, der Vorschriften macht, niemand, der etwas dagegen hat, wenn man sich um neun Uhr noch mal auf die andere Seite dreht, während Arbeitnehmer bereits in der Tretmühle ackern ...
Es gibt ein Wort an dieser Vorstellung, das der Wahrheit entspricht: Traum. Besonders viele halbwüchsige Mädchen begegnen mir in letzter Zeit mit dem Berufswunsch “Schriftstellerin”, Zusatz: berühmt.
Wenn ich ihnen dann erkläre, dass das harte Arbeit ist, bei der man sich diszipliniert (na ja), täglich zu einer bestimmten Zeit an den Schreibtisch setzen muss, und nicht eher wieder aufstehen darf, bis man eine bestimmte Anzahl von Worten oder Seiten produziert hat, dann sehen sie mich irritiert an - und glauben mir kein Wort.
Aber niemand wird je ein Buch fertig stellen, wenn er auf die göttliche Eingebung hofft, und ich bekäme keine einzige Zeile zu Papier, wenn ich auf meine lieben Mitmenschen hören würde, die davon überzeugt sind, ich könne mir meine Zeit frei einteilen.
Genaugenommen gehen die meisten Leute hier in der Gegend ohnehin davon aus, dass ich den ganzen Tag gemütlich die Füße hochlege, wo ich doch nicht arbeiten gehe ... Dabei brauche ich oft einen ziemlich starken Willen, um mir irgendwie Zeit zum Schreiben freizuschaufeln.
Meist läuft es folgendermaßen: Nachdem ich meine vier Kinder in die Schule gebracht habe (mit dem üblichen Geschrei am Morgen, versteht sich), ignoriere ich das Frühstückschaos in der Küche und im Rest des Hauses und setze mich um 8:00 Uhr an meinen Schreibtisch. Der Vormittag ist die einzige Phase des Tages, wo ich - wenn es gut läuft - ungestört arbeiten kann. Unter Aufbietung aller Kräfte vermeide ich es, zuerst meine Mails durchzulesen. Ich schaue auch nicht nach, was meine Autorenkollegen so in ihren Weblogs schreiben. Manchmal gewinnt zwar das Internet, aber das sind dann auch die Tage, an denen ich nicht viel Geschriebenes vorweisen kann.
So stürze ich mich also auf meine Arbeit. Erledigt wird zuerst was schnelles Geld, dann, was Ruhm und Ehre verspricht, sprich: Publikationen ohne Bezahlung aber im richtigen Medium. Am angenehmsten ist es, wenn nichts von beidem ansteht, dann kann ich mich in aller Ruhe meinem Roman widmen. Schön, wenn ich dann auch noch den Ratschlag beherzige, nicht gleichzeitig zu schreiben und zu lektorieren, denn dann schaffe ich ganz gut was weg.
Das bedeutet, dass ich Erledigungen, sowie soziale Kontakte vormittags wie die Pest meide, denn wenn ich erst einmal einer redseligen Mit-Mutter in die Hände gefallen bin, habe ich meist schon verloren. Und ich kann auch nicht jedes Mal einen dringenden Artikel vorschieben. Dabei ist es schon sehr hilfreich, dass ich auch journalistische Texte schreibe, so muss ich mein Buchprojekt niemandem auf die Nase binden. Ich glaube, es war Stephen King, der sagte, dass man als unveröffentlichter Romanautor etwa dasselbe Ansehen hat, wie ein Stadtstreicher, und ich fürchte, das ist sehr gut beobachtet.
Im Gegensatz zu Autoren, die mehr oder weniger den ganzen Tag zur Verfügung haben, werde ich vermutlich noch länger als “Stadtstreicher” und “Füßehochleger” unterwegs sein, denn in Nullkommanix sind die Kinder aus der Schule zurück, schreien nach Futter und Hilfe bei den Hausaufgaben. Wenn ich einen dringenden Auftrag vormittags nicht geschafft habe, muss ich zwar auch mal nachmittags ran, aber da heißt es dann: Arbeiten mit hohem Geräuschpegel. Gift für jemanden, der ohnehin schon Konzentrationsprobleme hat. Und es gibt für mich kaum etwas frustrierenderes, als wenn sich in mir ein wunderbar runder Satz formt …. kurz davor aufs Papier entlassen zu werden … - und dann brüllt mir meine Jüngste ins Ohr: “Mamiiii, der Philipp hat mich gehauen!” Satz weg, Laune auf dem Nullpunkt. Wenn nicht ohnehin Chauffeurdienste anstehen, gebe ich an dieser Stelle auf.
Dann ist es sowieso bald Zeit zum Kochen, aber ich habe bislang weder Wäsche gewaschen, den Geschirrspüler bestückt, noch sonst etwas Sinnvolles zustande gebracht. Bis das Essen endlich fertig ist, das sich wieder einmal nicht ohne mein Zutun gekocht hat, ist es meist recht spät. Dann schicke ich die Kinder ins Bett. Noch vorgelesen und geküsst - schon wieder halb neun. Nun schnell zurück an den PC.
Ach, ja, mein Mann. Den kann ich doch nicht schon wieder den ganzen Abend alleine sitzen lassen, wo er gerade erst nach Hause gekommen ist. Na, dann stehe ich morgen eine Stunde früher auf und mach den Text fertig, ich kann mir als Freiberufler meine Zeit ja glücklicherweise einteilen!
© Petra A. Bauer, 25.03.2003
Nachtrag: Wie oben zu sehen, habe ich diesen Federwelt-Beitrag im Jahre 2003 verfasst, also zu Beginn meiner Autorenkarriere. Einiges hat sich seither geändert, z.B. dass die Unterbrechungen jetzt nicht mehr durch benachbarte Mütter und streitende Kinder geschehen. Sie werden stattdessen von kurzfristigen Aufträgen verursacht, die ich doch bitte "mal eben dazwischenschieben" soll.
Ambitionierten Nachwuchsschriftstellern und -schriftstellerinnen sei an dieser Stelle gesagt: Das Business ist noch härter, als ich vor fünf Jahren geahnt habe. Der Zusatz "berühmt" ist nur mithilfe geeigneter Verlage, Mundpropaganda, einem laaaangen Atem und einer gehörigen Portion Zufall zu erlangen. "Reich" kommt - wenn überhaupt - den Erben zugute.
Aber die rauschenden Partynächte gibt es tatsächlich: Zur Buchmesse, wenn man es geschafft hat, eine der begehrten Einladungen der Publikumsverlage zu ergattern ;-)
Petra A. Bauer, 2.11.2008
© Petra A. Bauer, 03/2003
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