Alles Hobby, oder was? - Die Sache mit dem Lesungshonorar

Freitagabend, der Pizzabote steht vor der Tür. Der Kunde nimmt freudestrahlend die bestellten Salami-, Thunfisch- und Funghi-Pizzakartons entgegen. „Das riecht lecker, vielen Dank!“, sagt er und will gerade die Tür schließen, als der Pizzabote herumzudrucksen beginnt: „Vorhin am Telefon hatten wir ausgemacht, dass ich 14 Euro fünfundsiebzig dafür bekomme.“

Der Kunde schaut irritiert. „Nein, also das hatte ich ganz anders verstanden. Ihr Kollege neulich, der hat die Pizza gratis vorbeigebracht. UND eine Flasche Wein noch dazu.“

„Ich weiß nicht, wie der Kollege das macht, aber ich bin verheiratet, habe drei Kinder, und die Arbeitszeit und das Material muss mir doch jemand bezahlen …“

„Arbeit würde ich das ja nun nicht nennen, das kann doch jeder. Meine Frau zum Beispiel, die bäckt wunderbare Pizza, aber die ist heute nicht da. Das bisschen Mehl, das man dazu braucht, und Tomatenzeug, das kostet ja auch nicht die Welt. Also, mehr als drei Euro kann ich Ihnen beim besten Willen nicht geben.“

Der Pizzabote befürchtet, gar nichts zu bekommen, wenn er auf das Angebot nicht eingeht. Also nimmt er die drei Euro, geht wutschnaubend zu seinem Auto und schwört, diesen Kunden nie mehr zu beliefern, auch wenn er bekannt dafür ist, sehr häufig Pizza zu bestellen.

Unvorstellbar?

Und doch geschieht genau dies in anderer Form täglich. Man muss nur das Wort „Pizzabote“ gegen das Wort „Autor“ austauschen, „Pizza“ gegen „Lesung“ und „Kunde“ gegen „Veranstalter“ (das kann eine Buchhandlung, Kultureinrichtung o. ä. sein).

Bei kleineren Buchhandlungen funktioniert es mit dem Lesungshonorar auch meist so, wie es sein sollte. Der Autor oder die Autorin macht einen Lesungstermin aus und bespricht die Höhe des Honorars. Die Besucher zahlen ein paar Euro Eintritt, von denen das Autorenhonorar bezahlt wird. Waren nicht genügend Zuhörer anwesend, nimmt der Buchhändler die Differenz aus der eigenen Kasse, schließlich war ja eine bestimmte Summe vereinbart. Diese Vereinbarung kann durchaus mündlich geschehen.

Es ist jedoch Vorsicht geboten, wenn das Bauchgefühl gleich zu Beginn Alarm schlägt. So hatte zum Beispiel eine große Buchhandlung schon bei der äußerst zähen Honorarverhandlung einen Hang zu, sagen wir, extremer Sparsamkeit gezeigt und sich mir gegenüber dann am Ende der Lesung genauso verhalten wie der Kunde des oben genannten Pizzabäckers. Seither habe ich mich gefragt, ob wir Autorinnen und Autoren uns nicht grundsätzliche Gedanken über die Bezahlung unserer Arbeit machen sollten, und was wir dafür tun können, um unsere Forderungen durchzusetzen.

„Das ist doch kostenlose PR für Ihr Buch!“

Zunächst einmal sollten Autoren überhaupt Forderungen stellen! Kein Veranstalter wird freiwillig mit einem Sack voller Goldstücke hinter uns her rennen – dieses Bild kann man getrost ins Reich der Märchen verbannen. Jeder Autor, der eine Lesung hält, muss darauf hinweisen, dass diese Arbeit – denn um eine solche handelt es sich – auch zu entlohnen ist. Das Problem hierbei: Autoren, die noch nicht so lange dabei sind, kommen oft gar nicht auf die Idee, dass ihnen für ihre Buch-PR (und für die Möglichkeit, der eigenen Eitelkeit ein wenig schmeicheln zu dürfen) auch noch Geld zusteht.

Dann sollten diese Autoren ganz kurz darüber nachdenken, ob sie denn für ein anderes Produkt, beispielsweise das Buch eines Kollegen, auch gratis Promotion machen würden.

In der akuten Verhandlungssituation kommt man auf derartige Ideen natürlich nicht, und Veranstalter reiten gerne auf dem PR-Argument herum – meist mit dem Hinweis auf den sich erhöhenden Buchverkauf nach der Lesung. Vielleicht hilft es da, beim nächsten Mal folgende vereinfachte Beispielrechnung zu präsentieren:

Der fiktive Nettoladenpreis liegt bei zehn Euro, der fiktive Anteil des Autors bei zehn Prozent (oft genug darunter). Um das vom Verband deutscher Schriftsteller (VS) empfohlene Mindesthonorar von umgerechnet 255,65 Euro* zu erreichen, müssten pro Lesung 256 Bücher verkauft werden. Pro Lesung, wohlgemerkt, und, wie gesagt, bezogen auf das Mindesthonorar! Wenn der Veranstalter danach weiter auf seiner PR-Theorie und einer Gratislesung besteht, sollte der Autor dort nicht länger seine kostbare Zeit verschwenden.

Sehr kontraproduktiv ist in diesem Zusammenhang auch eine Empfehlung, die ich in einem (aktuellen) Leitfaden für Autorenlesungen gefunden habe:

„Aus betriebswirtschaftlichen Zwängen werden (…) Lesungen von unbekannten Autoren nicht selten abgelehnt. Wenn Sie also den Buchhändler um Gehör bitten, machen Sie es ihm leicht und angenehm. Empfehlen Sie sich als neuen Autor bzw. Autorin, die etwas Neues zu sagen haben. Wenn der Buchhändler nicht von sich aus ein Honorar anbietet, sollten Sie von sich aus zu erkennen geben, dass Sie mit einem Honorar nicht rechnen.“ **

Was nichts kostet, ist nichts wert!

Wenn sich Autoren selbst nicht ernst nehmen und sich stattdessen in die Hobby-Ecke stellen, wie sollen es dann andere tun? Wie soll man uns ernst nehmen, wenn wir unsere Arbeitskraft gratis hergeben? Die Binsenweisheit „Was nichts kostet, ist nichts wert“ sollten sich alle Autoren zur Erinnerung an den Spiegel heften. Vielleicht ist es dann möglich, dass sich das Image schriftstellerischer Tätigkeit im Bewusstsein der Bevölkerung langfristig verbessert.

Dabei will ich nicht unerwähnt lassen, dass es viele Autoren auch nach ihrer ersten Veröffentlichung Überwindung kostet, sich selbst überhaupt „Autor“ zu nennen. Einige haben auch Angst vor Lesungen und noch mehr vor den Honorarverhandlungen, weil die kaufmännische Seite der „Autorenmedaille“ den eher künstlerisch veranlagten Schriftstellern häufig nicht sonderlich liegt.

Dies ändert sich auch nicht unbedingt mit steigenden Veröffentlichungszahlen.

Auch prominente Autoren haben es nicht viel leichter

Vielen Gesprächen und Mails von Kolleginnen und Kollegen entnahm ich, dass auch sehr bekannte Autoren ihr Honorar nicht selbstverständlich erhalten, sondern es massiv einfordern müssen.

Ich sehe das Dilemma für Veranstalter mit neuen Autoren durchaus, da sie nicht wissen können, auf welche Weise die Texte vorgetragen werden. Jedoch sollte es für den Veranstalter ausreichen, das jeweilige Buch (an)zulesen, um die Qualität des Inhalts einordnen zu können. Auch berühmte Autoren lesen mitunter langweilig - dieses Risiko geht der Veranstalter immer ein.

Vom bloßen Schreiben leben, das können die Wenigsten. Um den Lebensunterhalt zu bestreiten, gehören Lesungen unverzichtbar dazu. Doch solange Autoren gratis lesen (von Benefizveranstaltungen natürlich abgesehen), werden diejenigen, die ihren Lebensunterhalt damit bestreiten, ständig mit dem Totschlagargument konfrontiert: „Kollegin XY hat neulich für die Lesung aber auch kein Geld genommen!“

Ein erster Schritt in die richtige Richtung sind beispielsweise Autorengruppen, die sich zum Ziel setzen, niemals völlig ohne Honorar zu lesen. Gemeinsam kann man dies besser durchsetzen, auch wenn der einzelne Autor entsprechend weniger bekommt (aber auch dementsprechend kürzer liest).

Doch auch als Einzelkämpfer sollten wir uns rechtzeitig wappnen und die Honorarverhandlung professionell angehen.

Wie mache ich es richtig?

Dazu habe ich Reimer Eilers befragt, Autor und Experte bei mediafon, dem Beratungsservice von ver.di für Solo-Selbstständige.

Sein Rat lautet, das Honorar in jedem Fall VOR der Lesung auszuhandeln. Die Autoren sollten dabei die 255-Euro-Empfehlung des VS immer im Hinterkopf behalten und sie dem Veranstalter auch mitteilen, damit sie nicht als „individuell gierig“ dastehen. Was natürlich nicht bedeutet, dass diese Summe immer erreicht wird, aber es ist eine solide Diskussionsgrundlage, vor allem wenn man dem Veranstalter klar macht, dass nach Abzug aller Steuern und Versicherungen*** (Kranken-, Renten-, Berufsunfähigkeitsversicherung, etc.) ein Stundenlohn von rund zehn Euro übrig bleibt.

Wenn dann das PR-Argument vorgebracht wird, solle man laut Eilers darauf nicht eingehen:

„PR ist gar kein Argument. Wenn man sich drauf einlässt, verdient man gar nichts."

Nach dem Telefonat mit dem Veranstalter schickt man am besten eine Auftragsbestätigung, in der man sich auf das Telefonat bezieht und das vereinbarte Honorar plus 19% Mehrwertsteuer schriftlich festhält. Geht die Auftragsbestätigung per Mail an den Veranstalter, empfiehlt es sich, diese Mail gleichzeitig per cc/Kopie einer vertrauenswürdigen Person zu schicken, um damit beweisen zu können, dass diese Mail auch tatsächlich abgeschickt wurde. Wenn der Veranstalter dieser Auftragsbestätigung nicht widerspricht, ist die Vereinbarung gültig.

Aufpassen: Die Mehrwertsteuer kann bei Lesungen in Bibliotheken nicht erhoben werden, da diese von der Umsatzsteuer befreit sind.

Im Anschluss an die Lesung wird das Honorar vom Veranstalter üblicherweise in bar ausgezahlt. Da manche Veranstalter keine fertige Quittung zur Unterschrift bereithalten, sollte der Autor stets ein vorbereitetes Rechnungsexemplar dabei haben mit dem Vermerk „Betrag XX,- Euro in bar dankend erhalten“.

Bei größeren Events kann es auch möglich sein, dass das Honorar per Überweisung gezahlt wird. Auch da ist es günstig, dies im Vorfeld geklärt und schriftlich festgehalten zu haben.

Ich möchte noch hinzufügen, dass bei Lesungen, die eine Übernachtung erforderlich machen, in der Regel der Veranstalter für die Organisation und Bezahlung der Unterkunft zu sorgen hat. Dies kann nach Absprache auch in einem Privathaushalt erfolgen. Auch diese Regelung sollte Bestandteil der Auftragsbestätigung sein.

Programme zusammenstellen

Es macht sich übrigens gut, wenn man verschiedene Lesungsprogramme anbietet und zur Auswahl auf die eigene Autorenhomepage stellt. Dort können zudem die Kosten für die verschiedenen Veranstaltungen vermerkt werden, etwa Rabatte, wenn mehrere Lesungen an einem Tag erfolgen, oder Materialkosten, wenn man als Kinderbuchautorin zum Beispiel mit seinen jungen Zuhörerinnen und Zuhörern etwas bastelt. So kann man bei den Honorarverhandlungen direkt darauf verweisen. Am besten dort ebenfalls auf die VS-Mindestforderung hinweisen.

Sicher liegt es nicht nur an den Kolleginnen und Kollegen, die bereit sind, für Null Euro zu lesen, dass es immer schwieriger wird, überhaupt noch bezahlte Lesungen zu erhalten. Die Unsitte, gerade Berufsanfänger gratis oder für ein Taschengeld arbeiten zu lassen, greift immer mehr um sich; erinnert sei nur an den Begriff „Generation Praktikum“. Auch im Verlagswesen und Buchhandel haben Volontäre häufig nur Zeitverträge und werden schlecht bezahlt. Dass in einem solchen Umfeld wenig Verständnis für die berechtigte Forderungen von Autorinnen und Autoren aufkommt, ist sicher kein Wunder.

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Kurz zusammengefasst:

- Honorar vor der Lesung aushandeln, am besten gleich bei der Terminvereinbarung

- Die 255,- Euro Mindestforderung des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) als Verhandlungsbasis erwähnen.

- Ggf. wegen der Lesungskosten auf die Autorenhomepage verweisen.

- Per Brief oder Mail Auftragsbestätigung mit allen besprochenen Parametern an den Veranstalter schicken.

- Nach der Lesung vorgefertigte Rechnung oder zumindest Quittungsblock bereithalten.

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Anmerkungen:
* Die letzte Honorarumfrage ist von 1998; damals wurden 500,- DM empfohlen; dieser Honorarsatz ist bisher nicht angehoben worden.

** Ingrid Pohl, Leitfaden für Autorenlesungen, in: Der Ratgeber für neue Autoren 2006/2007, Frankfurter Ratgeberverlag

*** Eine Übersicht (allerdings auf DM-Basis) ist der mediafon-Honorarumfrage von 1998 zu entnehmen.

Der Artikel erschien in der Federwelt Nr. 63, April / Mai 2007

© Petra A. Bauer, 04/2007
Dieser Text darf nicht ohne die ausdrückliche Genehmigung der Autorin anderweitig veröffentlicht werden. Dies gilt auch für alle anderen Texte der Internetseiten, die zum Webangebot von Petra A. Bauer gehören. Benutzen Sie bitte das Kontaktformular für die Anfrage. Ich teile Ihnen dann auch gerne meine Honorarvorstellungen mit.

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